Biodiversität bedeutet übersetzt "Vielfalt des Lebens"; der Begriff kann jedoch auf
verschiedenen Ebenen angewendet werden. Er kann sowohl die genetische Vielfalt innerhalb einer Population
bezeichnen als auch den Grad des Artenreichtums in einem bestimmten Habitat. Weiterhin wird damit in einem
allgemeinen Zusammenhang der gesamte Artenreichtum auf der Erde bezeichnet, besonders in der
Öffentlichkeit und den Medien, wenn es um die Bedrohung der Artenvielfalt durch den Menschen und den
Klimawandel geht (ob nun durch menschliche Einflüsse oder langfristige natürliche
Klimaveränderungen).
Auf diesen Seiten geht es zumeist um die letzten beiden Definitionen der Biodiversität. Nach der letzten Definition ist Biodiversität also die Vielfalt des Lebens auf Erde, die Variationen, in denen die Millionen von Tieren (es sind allein über 400.000 Käferarten beschrieben...) und Hunderttausende von Pflanzenarten vorkommen. Ein ganzer Forschungszweig beschäftigt sich mit der Untersuchung dieses Fragenkomplexes, vor allem Ökologen, aber auch Taxonomen und Systematiker, die durch die nie enden wollende Beschreibungen neuer Arten und die Einteilung in verwandtschaftliche Gruppen ihren Lebensunterhalt verdienen. Die Ökologen untersuchen Nahrungsbeziehungen, konstruieren Nahrungsnetze und untersuchen Stoffkreisläufe innerhalb von Lebensgemeinschaften (d.h. in einem Gebiet zusammenlebende und interagierende Lebewesen). |
Wozu, außer natürlich, um den Forscherdrang zu stillen, sind diese Untersuchungen aber notwendig? Die einfache Antwort: Man kann nur das schützen, was man kennt. Um Konzepte zu entwickeln, wie man die jeweilige Art schützen will, muss man natürlich wissen, wie ihre Ansprüche sind, und auch die der Lebewesen, mit denen sie interagieren, sei es nun durch Nahrungs- oder Lebensraumkonkurrenz oder auch einfach Gefressenwerden... Es gibt aber auch grundlegende Fragen, die für einen Großteil der lebendigen Welt gelten. Eine davon wird auch in Deutschland diskutiert und ist auch in das vor nicht allzu langer Zeit geänderte Naturschutzgesetz eingeflossen: Sollte man eher ein großes Schutzgebiet befürworten oder mehrere kleinere, die durch Korridore verbunden sind? Für ein großes Gebiet spricht die dann mögliche Populationsgröße. Eine große Population ist Ausfällen gegenüber - zum Beispiel durch klimatische Veränderungen - meist widerstandsfähiger als eine kleine Population. Zum einen wäre in unserer Gesellschaft natürlich ein riesiges Schutzgebiet nicht durchzusetzen, abgesehen davon, dass solch ein großes Gebiet wohl schwierig zu finden sein dürfte. Es ist also aus praktischen Gründen schon nicht machbar. Ein weiterer wichtiger Vorteil bei mehreren Gebieten, die miteinander verbunden sind: Die einzelnen Subpopulationen leben in jeweils voneinander unterschiedlichen Habitaten, was die genetische Variabilität erhöht. Sie stehen aber über die Korridore miteinander in Verbindung und tragen so immer wieder zur Auffrischung des Genpools der Subpopulationen bei. Hier birgt natürlich die geringere Populationsgröße eine Gefahr, da die Gefahr des Aussterbens dann entsprechend größer ist. Man muss also immer abwägen, wie groß man die Schutzgebiete plant, um die negativen Effekte möglichst zu minimieren. |
Unbeantwortet ist jedoch noch die Frage, weshalb die Erhaltung der Biodiversität eigentlich so wichtig ist.
Ein altbekanntes und auch schon stark strapaziertes Sprichwort passt als Einleitung sehr gut:
"Die Natur braucht uns nicht, aber wir brauchen die Natur."
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Höhere Artenvielfalt = höhere Stabilität einer Lebensgemeinschaft? |
Betrachtet man diese Frage einmal mit dem viel zitierten "gesunden Menschenverstand", so erscheint
es plausibel, dass die Stabilität (Definition) einer Lebensgemeinschaft mit der Diversität steigt. Eine solche
sollte weniger unter der Dezimierung oder auch Entfernung einer Art leiden als eine artenarme, da die
vorhandenen Arten die freiwerdenden Nischen schneller einnehmen und dadurch die Ausfälle kompensieren
können. Plausibel erscheint dies weiterhin, wenn wir uns die Problematik bildlich in Form eines Netzes
vorstellen; auf ein komplexes Netz - also eines mit vielen Knoten (die in unserer Analogie die Arten
darstellen, während die Verbindungen die Interaktionen der Arten symbolisieren) - hätte die Durchtrennung eines Knotens weniger Auswirkungen als auf ein Netz, das nur
aus wenigen Knoten besteht. R. May konnte jedoch 1973 über mathematische Analysen eine mit der Diversität abnehmende Stabilität beobachten. Jedoch nahm er zum einen an, dass diese Lebensgemeinschaften sich im Gleichgewicht befanden, also nur unbedeutenden Schwankungen ausgesetzt waren. Dies ist aber oft nicht der Fall. Zudem beinhalten solche räumlich impliziten Modelle, also solche, die die räumliche Komponente des untersuchten Lebensraumes nicht berücksichtigen, immer die Annahme, dass eine vollständige Durchmischung vorliegt, die Wahrscheinlichkeit aller beteiligten Organismen, aufeinander zu treffen und miteinander zu interagieren, also gleich groß ist. Dies ist jedoch in der Realität nur sehr selten der Fall. Zudem gestand R. May in der 2001er Neuauflage seines Buches ein, dass die Differentialgleichungen, die er größtenteils benutzte, nur bei stetigen Verläufen anwendbar seien, während in einem großen Teil der Tier- und auch Pflanzenwelt diskrete Altersklassen vorliegen, da die Fortpflanzung meist zu bestimmten Jahreszeiten statt findet. Aktuelle theoretische Untersuchungen sowie Mikrokosmos-Experimente (mit realistischerer Variabilität gegenüber mathematischen Modellen) tendieren generell dazu, dass Diversität die Stabilität positiv beeinflusst. Weitere Einzelheiten hier zu beschreiben, würde jedoch zu weit führen. Dazu ist dieses Forschungsgebiet zu komplex und ich bin mit dieser Materie nicht ausreichend vertraut, um eine kompetente Einschätzung geben zu können. |